Butches! Ein Gespräch mit Susann Kaiser

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Susann Kaiser (© Susann Kaiser)

Butches sind Ikonen der Lesbenbewegung – sichtbar, laut, unangepasst. In einem neuen Buch des Querverlags werden sie gefeiert. Auch die Journalistin und Unternehmerin Susann Kaiser hat einen Artikel für das „Butches“-Buch beigesteuert. Garçonne Feuilleton hat mit ihr gesprochen.

„Butch“ – Was bedeutet das für dich?

Ich glaube, dass ich mir „Butch“ gar nicht so sehr aneignen muss, sondern dass das hauptsächlich eine Sicht von außen ist.

Für mich ist das eine Lesbe, die mit diesen absurderweise männlich zugeschriebenen Merkmalen gelesen wird, die sich nicht um Geschlechtszuschreibungen von Tätigkeiten, von Ausdruck, von Persönlichkeit schert. Das ist für mich der Kern. Eine Frau, die sich den Raum nimmt, den sie haben will, die ihre Stimme laut macht, wenn sie das braucht, die sich alle Freiheiten nimmt, die sie gerne haben möchte.

Wann wurde die Bezeichnung „Butch“ wichtig für dich?

Als Butches immer weniger in Erscheinung traten. Viele in meinem Umfeld transitionierten, ansonsten war ein straighter Look im zähen Kampf um die Ehe für alle angesagt. Plötzlich konnte es passieren, dass eine Butch im gut sitzenden Dreiteiler auf einer L*-Party blöd angemacht wurde, warum sie ihre Weiblichkeit negiert. Ich habe mich selbst lange überhaupt nicht als Butch bezeichnet. In der Zeit, in der ich mein Coming-out hatte, waren mehr oder weniger alle offen lebenden Lesben Butches. Das war der angesagte Look, auch das Erkennungsmerkmal untereinander. Aber ich bin natürlich schon immer eine Bilderbuch-Butch gewesen und habe das auch kultiviert.

Im „Butches“-Buch werden ganz unterschiedliche Positionen und Selbstwahrnehmungen vertreten. Gibt es so viele Definitionen von Butches wie Butches?

Da klingeln bei mir alle Alarmglocken, wenn ich höre, es gäbe so viele Definitionen wie Einzelpersonen. Bestimmte Benennungen von Personengruppen müssen ja überhaupt noch möglich sein. Diese Hyperindividualisierung ist gefährlich und dient politisch letztlich der falschen Seite. Dass jede Person ihre Eigenheiten hat und auf eine bestimmte Art und Weise auslebt, ist ja selbstverständlich.

Dein Artikel hat den durchaus provokant gemeinten Titel „Warum ich nicht trans* bin“. Wie stehst du als selbsternannte „Kampflesbe“ zur Trans*Community?

Zunächst gibt es sehr unterschiedliche Trans*Communities mit teils sehr unterschiedlichen Ansichten. Dann ist das ein sensibles Thema, weshalb ich darüber einen längeren Buchtext geschrieben habe, das lässt sich nicht in zwei Sätzen beantworten. Es war mir klar, dass der Titel aufgrund vollkommen unterschiedlicher Definitionen von einer bestimmten Szene provokant aufgefasst werden kann, auch wenn er nicht provokant gemeint war. Ein Penis ist für mich kein weibliches Geschlechtsorgan. Warum sind Frauen überhaupt diskriminiert im Patriarchat? Sie sind diskriminiert aufgrund ihres weiblichen Körpers, aufgrund dessen, dass sie gebärfähig sind. Es ist diese biologische Möglichkeit, auf der sämtliche Unterdrückung von Frauen auf dieser Welt basiert. Natürlich haben z.B. Transfrauen extreme Diskriminierungserfahrungen durchzustehen, vor denen sie geschützt werden müssen. Dafür werde ich jederzeit einstehen.

Siehst du Möglichkeiten, dass die zum Teil verfeindeten Szenen – Queers, Trans*, Lesben –  wieder zusammenfinden?

In Berlin sind die Fronten oft wahnsinnig verhärtet. Ich wünsche mir manchmal eine Art Kleinstadttraining für Großstadtqueers, denn dort steht man im Zweifel ganz alleine da, wenn man nicht kompromissbereit ist. Ich verstehe durchaus die Wut von vielen jungen Queers, die in vielen Punkten auch meine Wut ist. Die feministische Weltrevolution geht so unfassbar langsam voran! Ich finde es unmöglich, dass einige Ältere Transfrauen grundsätzlich ablehnen und noch nicht mal ein Bier mit ihnen trinken würden. Das ist einfach menschenfeindlich. Und sie haben keine Ahnung, was für eine wunderbare Bereicherung ihnen bei einer Begegnung etwa mit Kate Bornstein entgeht. Aber ich bitte um Verständnis dafür, dass Menschen unterschiedliche Geschichten haben und dass die größten Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden, nicht aus der Szene kamen. Einzelmeinungen und Verhaltensweisen stehen nicht immer für das große Ganze. Diese Unterscheidungen werden oft nicht mehr gemacht.

Wann bist du zur Lesbenbewegung gekommen?

Ich bin zu einer Zeit dazugekommen, als sie zum Teil schon etabliert war und ein wenig ermüdete, viel institutionalisiert wurde. Ich persönlich fand vieles ziemlich piefig. Es gab nicht die geilen Motorrad-Lederdyke-Clubs, es gab Birkenstock und Selbsterfahrungsseminare. Ich habe die Ausläufer der „sex wars“ noch mitbekommen, als Penetration mit Gewalt gleichgesetzt wurde und Dildos als Imitationen von Heterosexualität gedeutet wurden. Da hab ich mir gedacht: Was wollt ihr mir denn da reinreden, ich find das cool, ich hab da Spaß dran!

Verschaffen sich Lesben im öffentlichen Diskurs zu wenig Gehör?

Lesben sind Frauen und Frauen werden grundsätzlich weniger gehört. Ein Resultat von Stephanie Kuhnens Buch „Lesben raus“ ist: Sichtbarkeit hat eben viel mit Gesehen werden und dem Willen dazu zu tun. Heterosexualität wird dir in jeder Millisekunde deines Lebens entgegengeschleudert, in allen Medien, in Zeugnissen von Zusammengehörigkeit auf der Straße, in Gesten, in Worten. Butches sind die sichtbaren Ausreißer aus diesem System.

Müssen Butches um ihren Platz in dieser Gesellschaft kämpfen?

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Buchcover: Butches! Begehrt und bewundert, Foto: Privat

Ja, du wirst zu einer Kämpferin gemacht. Völlig unfreiwillig!

Du stehst ständig im Gegenwind, und der tost ja mittlerweile als Orkan. Das formt eine Person. Es ist immer die Frage, ob man dem standhalten kann. Wo und bei wem werde ich einfach so anerkannt, wie ich bin? Da gab es mehrere Stützen in meinem Leben, und die stehen unmittelbar im Zusammenhang mit einer bestimmten Zeit, nämlich den Hoch-Zeiten der zweiten Frauenbewegung. Als Stütze reicht manchmal schon, nicht ständig negativ kommentiert zu werden. Sich als Frau unsichtbar zu machen in einem bestimmten Normbereich heißt eben auch, sich damit gleichzeitig sexistischer Anmache preiszugeben. Als Butch bin ich froh, dem nicht ständig ausgesetzt zu sein.

Was wünschst du dir von der Community?

Ich wünsche mir viele verschiedene Communities, die einander positiv zugetan sind, die füreinander einstehen und die, wenn es hart auf hart kommt, eine starke gemeinsame Front bilden. Ich wünsche mir vor allem auch viel mehr gemeinsamen Alltag, denn Verbundenheit kommt vor allem vom gemeinsamen Tun. Von Partykultur und politischen Diskussionen allein kann kein Mensch leben! Weniger Theorie, mehr Spaß und Aktion. Und – man will auch nicht immer nur lesbisch Kaffee trinken, manchmal will man einfach auch nur vögeln! Ich persönlich hätte gerne noch irgendwo in der Uckermark ein Dorf für Lesben, wo gemeinsam gelebt, gearbeitet, gegärtnert und an den Motorrädern geschraubt werden kann. Und jetzt kann ich offenbar in Rente gehen, so altersentsprechend klingt das!