„Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg.“ (Andy Warhol)
Ob in der Politik, in der Unterhaltungsbranche oder in der Wirtschaft, in Deutschland hadern viele einflussreiche Frauen mit dem Feminismus. Barbara Schöneberger beispielsweise stört es, dass er ihrer Meinung nach Frauen zu Opfern mache. Angela Merkel hingegen möchte sich nicht mit „der Feder schmücken“ und sieht Unterschiede zwischen ihrem eigenen Lebensweg und dem prominenter Feminist*innen. „Emanzen sind uncool“, behauptete sogar die Journalistin Petra Bahr in einem Artikel für die ZEIT und verzweifelte an den vermeintlich so gleichgültigen jungen Frauen.
Ganz anders in den USA: Nicht nur hochrangige Politiker*innen wie Hillary Clinton finden sich unter den bekennenden Feminist*innen, sondern auch Pop-Diven wie Beyoncé oder Miley Cyrus brüsten sich damit. Als Beyoncé 2014 während ihrer „Mrs. Carter Show“- Welttournee vor einem riesigen Bildschirm mit dem Schriftzug „feminism“ tanzte, bezog sie sich in den nachfolgenden Interviews auf die nigerianische Schriftstellerin Chimamanda Ngozie Adichie und ihren berühmten TED-Talk „We should all be feminists“. Ausschnitte daraus tauchten zudem in ihrem Song „***Flawless“ auf. Der Text von Adichie wurde unter dem Titel „Mehr Feminismus“ in Deutschland veröffentlicht und um vier Kurzgeschichten der Autorin ergänzt.
Die glückliche Feministin
Gegen Klischees, gegen Zuschreibungen, gegen Fremdbestimmung: Adichie ist aus einer widerständigen Haltung heraus zur Frauenrechtlerin geworden. „Irgendwann war ich eine glückliche afrikanische Feministin, die Männer nicht hasst und Lippenstift und hohe Absätze zum eigenen Vergnügen und nicht zum Vergnügen der Männer trägt.“, konstatiert die Autorin.
Damit widerlegt sie die vielen Vorurteile, die Aktivist*innen in Afrika, aber auch im Rest der Welt entgegengebracht werden. Im Unterschied zu vielen Texten mit ähnlichen Botschaften schöpft Adichie aus ihren Erfahrungen als afrikanische Frau der Mittelklasse, aus ihren Begegnungen und Beobachtungen vor allem in Nigeria und den USA. Ihr liegt daran, nicht nur die Ignoranz der Männer zu tadeln, sondern vor allem auch die eigenen Verhaltensweisen, Erziehungsmethoden und Selbstbilder kritisch zu hinterfragen. Mit präzisem Blick für die Schwächen und die Bigotterie vieler Frauen (und natürlich auch der meisten Männer) analysiert sie den prägenden Einfluss der Gesellschaft auf die jeweiligen Geschlechterrollen und ermahnt ihre Leser*innen zugleich, zornig zu sein und zu bleiben.
Bottom Power?
Sexuelle Macht, in Nigeria „bottom power“ genannt, sei keinesfalls mit wirklicher Macht zu verwechseln, da die Frau nur die Autorität und das wirtschaftliche Potenzial des Mannes für sich nutzbar machen könne. Zudem ist sie ein Gut, das heteronormativen Bewertungskriterien zufolge mit zunehmendem Alter abnimmt. Letztlich führt das Leitbild der sexuellen Verwertbarkeit weiblicher Körper zu einer permanenten Konkurrenzsituation von Frauen – ein zentraler Eckpfeiler patriarchaler Gesellschaften. In der Dekonstruktion dieser kulturell verankerten „traditionellen“ Frauenbilder und in dem Rückgriff auf die eigenen Erfahrungen liegt die Stärke dieses Textes. Frauenrechte lassen sich nicht vorbehaltlos unter den Menschenrechten subsumieren, so Adichie. „Natürlich bin ich ein Mensch, aber in dieser Welt geschehen mir bestimmte Dinge, weil ich eine Frau bin.“
Sex Sells
Dass Beyoncé, eine der „Göttinnen“ im Olymp der Popkultur, sich nun gerade dieses kurze Manifest zum Vorbild genommen hat, ist nicht verwunderlich. Neben der afrikanischen Perspektive auf ein weltweites Phänomen dürfte sie wohl die Adichies Text zugrunde liegende Minimaldefinition von Feminismus angesprochen haben.
„Eine Feministin oder ein Feminist ist ein Mensch, der sagt, ja, es gibt heutzutage Probleme mit Geschlechterrollen, und das müssen wir korrigieren, und wir müssen es besser machen.“ Dagegen ist kaum etwas zu sagen, und diese Haltung ist durchaus kompatibel mit der marktwirtschaftlichen Inszenierung von selbstbewusster Weiblichkeit, die Beyoncé in ihren Videos und ihren Bühnenshows perfektioniert hat. Doch die Parole „sex sells“ ist nur eine Variante der „bottom power“; wirtschaftliche Unabhängigkeit garantiert auch heute noch keine politische Partizipation.
Popfeminismus
Dass der Popfeminismus – gemeint ist das Bekenntnis zahlreicher Pop-Diven zur Gleichberechtigung – den Kampf um Frauenrechte zumindest in den USA auch bei jungen Frauen wieder „cool“ gemacht hat, ist ein großes Verdienst. Dennoch zeichnet Beyoncé (und mit ihr viele weitere berühmte Sängerinnen) ein sehr ambivalentes Bild, denn neben der (Selbst-)Darstellung als starke Frau sind es vor allem auch die zahlreichen Unterwerfungsgesten in den Liedtexten und die auf den männlichen Blick fokussierte erotische Exposition des weiblichen Körpers, die ihren Erfolg ausmachen. In einem Interview 2016 betonte Adichie daher auch: „Her type of feminism is not mine, as it is the kind that, at the same time, gives quite a lot of space to the necessity of men.“ Den männlichen Bedürfnissen weniger Raum zu geben, zu widersprechen, laut zu sein, das ist die Lektion, die Adichie uns mit diesem Buch lehren will: „Wir alle, Frauen und Männer, müssen es besser machen.“
„Mehr Feminismus!“ wurde von Anette Grube übersetzt.